Auf dem Wasserwege nach Rom

Die 21. Tiberfahrt von Città di Castello nach Rom

(Volker von Borries - Hamburg)

 

Viele Wege führen nach Rom und ganz bestimmt der Wasserweg auf dem Tiber, den wir vom 25. 4. bis zum 1. 5. 2000 fahren werden. Eine Fahrt durch Umbrien und Latium, Landschaften, von denen wir schon in der Schule lernten, dass sie klassisch sind. Waren da nicht schon die Römer ......?

Bevor ich zu weiteren Überlegungen Zeit finde, zeigt sich schon, dass dieser Weg nach Rom reichlich mit Strudeln, Untiefen und anregenden Schwierigkeiten zu fahren ist. Es muss nämlich schon zehn Meter nach der ersten Einsatzstelle ein Schwall gefahren werden und 100 Meter weiter ein Wehr und nach abermals 200 Metern eine verblockte Stromschnelle, usw. Anlässe genug für eine gut gelaunte Erregung der Teilnehmer, von denen einige bereits hier schwimmen.

Der Tiber, ein unterhaltsamer Fluss

Der Tiber ist der drittlängste Fluss Italiens und der bedeutendste Wasserweg Mittelitaliens. Vor dem zweiten Weltkrieg fuhren bis zur Einmündung der Nera (etwa 80 km nördlich von Rom) auch kleinere Schiffe auf dem Tiber, und in diesem Bereich liegt auch ein antiker römischer Hafen in der Nähe von Orte, dessen ausgegrabene Reste wir auf der Fahrt besichtigten. Der Tiber entspringt in den Apenninen in 1300 m Höhe am Monte Fumaiolo und erreicht in Rom an seinen beiden Mündungsarmen in das tyrrhenische Meer (Fiumara und Fiumicino) Mittelmeerhöhe. So entsteht auf der Flusslänge von 404 km ein erhebliches Gefälle, das dazu führt, dass sich Paddler auf dem Tiber fast immer in flott fließendem Wasser befinden. Lediglich auf dem aufgestauten Lago di Corbara (Stromkilometer 176 – 183) erweitert sich der kleine Fluss zum See und hat dementsprechend keine spürbare Strömung, die aber danach wieder zunimmt und bis kurz vor Rom anhält. Diese Strömung und die vielen Wildwasserstellen zwischen WW 1 und 2 machen den Tiber zu einem Wanderfluss, der ab Città di Castello für etwas längere Wildwasserboote, aber auch mit Wanderbooten - Einern und Zweiern - befahrbar ist. Ich selbst fuhr ein lamelliertes Wanderboot, dessen ständig auf den Steinen schrammender Unterboden allerdings erheblich gelitten hat. Auf dem Lago die Corbara und vom Zufluss der Nera an erweitert sich das Tibertal zum Val Tiberiana und ab hier wird auch der Fluss breiter und ruhiger. Hier ist ein Wanderboot gegenüber einem Wildwasserboot deutlich im Vorteil. Die für den Tiber ideale Verbindung zwischen den Anforderungen des Wildwassers und des Zahmwassers wäre ein längeres Wildwasserboot aus PE.

Dass der Tiber laut Flussführer (DKV-Auslandsführer, Italien, Portugal, Schweiz, Spanien, 2 Bd., 3. Aufl. 1990, S. 284) auch für eine Gepäckfahrt geeignet ist, entspricht dies nicht meiner Erfahrung. Für eine Fahrt mit einem beladenen Boot gibt es zu viele schwierige und flache Stellen und unmittelbar an den Ufern kann man fast nirgendwo zelten. Auch ist das Ein- und Aussetzen meist mühevoll, denn die Uferböschungen sind fast überall steil und oft schlammig. Daher empfiehlt es sich, bei der Fahrt feste Schuhe mit gut greifenden Profilsolen zu tragen. Zudem verlangen die Organisatoren in der Ausschreibung der hier beschriebenen Fahrt eine wildwassergerechte persönliche Ausrüstung (Helm, Schwimmweste und Neopren). Auch dies ist sinnvoll, denn stellenweise ist der Fluss so schwierig, dass ein solcher Schutz notwendig ist.

Es ist für mich schwer zu sagen, ob die landschaftlichen Eindrücke, die man auf dem Tiber erlebt, eine Enttäuschung oder ein Genuss sind. Für mich ist es etwas von beidem etwas gewesen. Bei seinem Verlauf in südlicher Richtung durch Umbrien und dann nach Süd-Westen durch Latium mäandert sich der Fluss durch schöne Hügellandschaften und auf den Höhen der Berge liegen trotzige mittelalterliche Städte. Ich kannte diese Landschaft vom Fahrrad aus und hatte mir ihren wechselnden Anblick vom Fluss aus als wunderschön vorgestellt. Wie enttäuschend, diese Schönheiten sind vom Fluss aus nur auf dem Staussee und am Unterlauf des Tibers dauerhaft zu sehen. In seinem Oberlauf und mittleren Stück sind die Uferböschungen für einen weiten Ausblick zu hoch und zudem rechts und links von Bäumen und Büschen bewachsen, die ebenfalls die Aussicht versperren. Andererseits bieten diese vielen Arten von Bäumen zumal im Mai ein Bild ständig wechselnden Grüns, das reizvoll zwischen den helleren Tönen der Akazien und den dunkleren der Pappeln wechselt. Leider ist diese Pracht aber dadurch verschandelt, dass die am Ufer stehenden Bäume und Büsche über und über mit Müll verschmutzt sind, den das Hochwasser angeschwemmt hat. Nirgends sonst habe ich die hirnlose Verwendung von Kunststoffen als Verpackungsmaterial so schmerzlich erlebt. Diese Verschmutzung entsteht allerdings nur zu Hochwasserzeiten, denn als wir bei einem für den Monat Mai normalen Wasserstand fuhren, war die Wasserqualität ziemlich gut. Aber auch zum Schutz des Ökosystems „Tiber" geschieht etwas. Gehen doch hierzu die Interessen des Kanusports und die des Naturschutzes eine längst überfällige Verbindung ein. Sahen wir doch im Schloss Orsini von Monte Rotondo die Ausstellung einer auch von Kanusportverbänden unterstützten Initiative eine Ausstellung mit dem Ziel, einen Teil des Tibertals als Nationalpark einzurichten. Die ganze Aktion stand unter dem Titel: „Der Fluss lebt".

Einer meiner Freunde, kein Paddler, hat den Tiber gesehen und sagte etwas verächtlich: „Was, das Flüsschen seid ihr gefahren." Und meine Frau fand bei der Betrachtung eines Fotos, dass der Tiber der Alster ziemlich ähnlich sei. Nichts gegen die Alster, aber da hätte ich ja auch zu Hause bleiben können. Wer so urteilt, versteht nichts vom Paddeln und versteht die besondere Atmosphäre Mittelitaliens nicht. Aber auch eine mitfahrende Paddelkameradin, die auf dem Wildwasser zu Hause ist, fand, der Tiber biete zu wenig sportliche Herausforderungen. Ich, ein Wanderpaddler, finde den Tiber trotz der erwähnten Einschränkungen recht schön und als sportlichen Kleinfluss unterhaltsam. Er überfordert den Durchschnittspaddler nicht, ist aber mit seinen wechselnden Bildern und Wasserverhältnissen alles andere als langweilig.

Die Organisation der Fahrt

Als ICF-Fahrt hat die „XXI Discesa Internazionale del Tevere - DIT" eine Vorgeschichte von 20 Jahren und wird vom italienischen Kanuverband ausgerichtet. Ins Leben gerufen wurde sie insbesondere von zwei in Italien bekannten Paddlern, Guglielmo Granacci und Francesco Bartolozzi, einem rüstigen alten Herrn, der an den Feiern zu Beginn und am Ende der Fahrt zugegen war, und der sich zufrieden darüber äußerte, dass seine Arbeit weitergehe Weitergeführt wird die Tiberfahrt durch Franco Sibio und Andrea Ricci, die gemeinsam mit einigen anderen Paddelkameraden die nicht geringe organisatorische Arbeit ehrenamtlich übernommen hatten, die Menge der Fahrtteilnehmer über die Etappen zu bringen. Ging doch die Fahrt über sieben Etappen, bei der jeweils wie folgt vorgegangen wurde: Morgens wurden mit den eigenen Autos die Boote an die Stelle am Fluss transportiert, an der die Tagesfahrt zu Wasser begann. Dann mussten die Autos vorgesetzt und am Ende der Tagesetappe geparkt werden. Die Autofahrer wurden dann mir einem eigens zu diesem Zweck von der römischen Verkehrsgesellschaft zur Verfügung gestellten Bus an die Einsatzstelle zurückgefahren. Erst dann, gegen 11 Uhr gingen wir auf den Fluss und fuhren bis zum Nachmittag die Tagesetappe. Danach mussten die Boote wieder auf die bereitstehenden Autos geladen werden, und der ganze Konvoi von 50 – 70 Autos fuhr zu irgendeiner Turnhalle, wo das Nachtlager eingerichtet wurde. Wer wollte, konnte sich dann für wenig Geld von einer zur Organisation der Fahrt gehörigen Feldküche beköstigen lassen. Diese Organisationsform war oft mühselig und verursachte viel Stress. Es war aber nach Lage der Dinge die einzig machbare und ermöglichte zudem auf den Busfahrten Einsichten in schöne Landstriche Umbriens und Latiums. Die Turnhallen, in denen wir nächtigten, lagen oft in der Nähe der Stadtkerne von berühmten alten Städten, die leicht erreichbar waren und abends von vielen Teilnehmern besucht wurden. Zu denen gehörten insbesondere Città di Castello, das großartige Perugia und das pittoreske Orvieto.

Es bedurfte einer sorgfältig vorbereiteten und doch flexibel gehaltenen Organisation, damit dies alles für 140 – 210 Teilnehmer reibungslos funktionierte. Diese vielen Teilnehmer kamen zusammen, da die Tiberfahrt in Italien ein wichtiges Ereignis des Kanusports ist, an dem auch viele deutsche und österreichische Paddler teilnehmen: so waren wir in etwa 100 ItalienerInnen, 40 Deutsche KanutInnen und 10 ÖsterreicherInnen. Auf den letzten zwei Etappen kamen noch 70 italienische WasserpfadfinderInnen hinzu, so dass wir mit gut 210 TeilnehmerInnen in Rom einliefen. Das war eine eindrucksvolle Demonstration des Paddelsports und ein wunderschönes Bild mit all den bunten Booten auf dem Tiber, die an diesem Tag dicht an dicht beieinander fuhren.

Zweifelsohne mussten wir auch die uns aus der Ausschreibung vorher bekannten Nachteile erdulden, die solche Massenveranstaltungen mit sich bringen, und das wäre auch schwer zu ertragen gewesen, wenn nicht, ja wenn die Italiener nicht eine wunderbar leichte Art hätten, auch solchen Massensituationen den Spaß abzugewinnen, den soziale Situationen an sich haben können, wenn man sich darum bemüht. Und Mühe haben sich viele mit Erfolg gegeben. Der Spaß entstand, weil jeder an positivem Beitrag einbrachte, was ihm möglich war. So fungierte z.B. Klaus, ein deutscher Teilnehmer, als vorzüglicher Dolmetscher, und auch ich tat mein Mögliches zur Verbesserung des Verständnisses zwischen den verschiedensprachigen TeilnehmerInnen. Ein Italiener beherrschte ein beindruckendes Repertoire an Zaubertricks und hat uns an manchen Abenden mit der Darbietung seiner Kunstfertigkeit erstaunte und erfreut. Anlässlich von Einladungen der Kanuklubs in Città die Castello und Rom sowie in Städten wie St. Angelo di Celle und Monte Rotondo wurde gemeinsam zu Abend gegessen. In Monte Rotondo wurden wir zudem durch das dortige Schloss Orsini geführt und freuten uns an einer Aufführung mittelalterlicher Tänze. In In St. Angelo di Celle gab es noch eine Verlosung von Erinnerungstücken an die Fahrt aus Keramik, die ein Handwerksmeister aus der benachbarten und für ihre Keramikproduktion berühmten Stadt Deruta eigens zu diesem Ereignis gefertigt hatte. Als Teilnehmer mit der längsten Anreise bekam ich einen schön bemalten und beschrifteten Keramikteller und gewann einen kleinen Kajak aus Keramik, auf dem zur Erinnerung die Daten der Fahrt ebenfalls eingebrannt sind. Für diese beiden Erinnerungsstücke bin ich dankbar und auch stolz darauf. Am Ende der Fahrt gab es in einem Kanuclub in Rom noch eine Einladung zum Essen und eine Tombola, bei der als erster Preis ein Wildwasserboot verlost wurde. Ich gewann ein Hemd mit den aufgedruckten Daten der Fahrt; kehrte also mit Geschenken reich beladen nach Hause zurück.

Auf dem Wasser

Gefahren wurden sieben Tagesetappen zwischen 14 und 33 km, so dass die ganze Fahrt über eine Gesamtlänge von 156 km ging.

Die Etappen der Fahrt

1. Città di Castello – Umbertide 29 km

2. Umbertide – Ponte San Giovanni 33 km

3. Ponte San Giovanni – Deruta 20 km

4. Pontecuti – Lago di Corbara 13 km

5. Alviano – Orte 20 km

6. Meana – Monte Rotondo 15 km

7. Castel Giubileo – Roma 13 km

Das ist insbesondere bei einem schnell fließenden Fluss wie dem Tiber, auf dem das Paddeln großen Spaß macht, nicht viel, auch wenn man berücksichtigt, dass die meisten Teilnehmer Wildwasserboote fuhren. Allerdings waren die ersten drei Tagesetappen teilweise Wildwasserstrecken zwischen WW 1 und WW 2, deren Befahren viel Zeit brauchte, da die Gruppen an den schwierigeren Wehren so organisiert wurden, dass Helfer jeden einzelnen Teilnehmer über das Wehr winkten und man aufeinander wartete. Hier bewährte sich die gutgelaunte Sportkameradschaft der Italiener, die eine liebenswerte Art haben, jeden einzelnen zu ermutigen. So wurde insbesondere Anfängern, die ein Wehr mit Erfolg gemeistert hatten, applaudiert. War jemand (was oft vorkam) an einer schwierigen Stelle gescheitert, so wurde schnell geholfen als ich einmal auf einem Wehr kenterte, sagte einer der Fahrtenleiter „bravo Volker", und als ich skeptisch den Kopf schüttelte, insistierte er mit einem: „Sì bravo"! Als ich das zweite schwierige Wehr des Tages mühelos passierte, schaute mich der selbe Mann nochmals an, hob den Daumen und sagte nur „bravissimo"! Anstrengender als die Wehre sind die häufigen langgezogenen Schnellstrecken, die zum Teil verblockt sind und niedriges Wasser haben. Auf solchen Passagen rumpelt man von einer Stufe zur nächsten und kann sich im flachen Wasser leicht festfahren. Auf den letzen vier Tagesetappen wurden bei flotter Strömung die schwierigen Passagen seltener. Nicht mehr spürbar ist die Strömung auf dem aufgestauten Lago die Corbara und unmittelbar vor Rom. Allerdings sind auch die ruhigen Passagen des Flusses immer wieder für Überraschungen gut. So gab es bei der feierlichen Einfahrt von 210 Booten in Rom unmittelbar vor dem Kanuclub, an dem wir die Fahrt beendeten, einen Schwall, dem man nicht ansah, dass er schwierig zu fahren war. Prompt nutzten einige Teilnehmer auch diese letzte Möglichkeit zum Kentern und wurden gutgelaunt aus dem Wasser gefischt. So endete die Tiberfahrt, die in Città di Castello mit einem Schwall begonnen hatte, in Rom ebenfalls mit einem Schwall. Ein gutes Symbol für die Symmetrie der ganzen Veranstaltung.

Literatur und Organisatoren

DKV-Auslandsführer, Italien, Portugal, Schweiz, Spanien, 3. Aufl. 2. Band, Duisburg 1990, S. 284 ff.

Granacci, Guglielmo: Nuova Guida ai Fiumi d’ Italia, Longanesi, Milano 1990, S. 225. ff. Ein sehr genaues und umfassendes Buch über die Flüsse Italiens und die Clubs, in denen gepaddelt wird.

Granacci, Guglielmo: Carta Turistica fluviale Aggiornata ad uso Canoistico, Milano 1998. Zu beziehen in der Libreria del Mare in Mailand oder bei G. Granacci selbst: Via Ernesto Breda 19/c, 20126 Milano, Tel 0039 02 2576638. Als weitere Flussführer von Granacci sind mir der über den Po und den Ticino bekannt.

Der für deutsch Teilnehmer zuständige Organisator ist.:

Walter Brand, Bayernstraße 31 C, 63939 Wörth

Die Organisation der ganzen Fahrt trägt der italienische Kanuverband

FEDERAZIONE ITALIANA CANOA FLUVIALE (FICF)

Pres. Arcangelo Pirovano, Via Cavour, 89 – 1-26041 Casalmaggiore (Cr), Tel/Fax 0039 0375 42442

 

Dr. Volker von Borries

Erich-Ziegel-Ring 35

22309 Hamburg

Tel. 040 – 6323931

E-Mail: vvb123@aol.com

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