Tiberfahrt 2004

Binz, 15. Mai 2004

Liebe Familie, Verwandte und Freunde Offensichtlich bin ich von einem hartnäckigen "Virus" befallen: dem Paddelfieber! Kaum standen die Skier im Keller und schon zog es mich magisch auf fliessende Gewässer. Zweifels 'ohne - paddeln macht süchtig!

Nach einer einjährigen "Abstinenz" verspürte ich die unwiderstehlich Lust , bei der 25. Discesa mit dabei zu sein. Und ich habe es reichlich genossen! Es ist fast nicht zu beschreiben, was das gewisse Feeling dieser Tour ausmacht.

Ist es der Kontrast vom urwaldartigen Oberlauf zur Millionenstadt? Ist es das bunt zusammengewürfelte Teilnehmerfeld, welches altersmässig von 15 bis 75 Lenze reicht? Oder ist es der sprichwörtliche, italienische Charme, der sich in der Organisation, Toleranz, Offenheit und Lebensfreude widerspiegelt und nicht zu vergessen; die cucina tipica italiana , welche die Strapazen des Tages jeweils schnell vergessen lässt.

Dazu gehört selbstverständlich eine angeregte Unterhaltung. Diese ist nicht immer ganz einfach zu führen , wird am selben Tisch nebst italienisch gleichzeitig deutsch, englisch und französisch gesprochen. Dies je nach belieben, oder dem Stand der Sprachkenntnisse angepasst. Ich denke letzt'endlich ist es ein Mix von allem, wenn man die diversen Ueberraschungen, die jeder Tag mit sich bringt noch dazu nimmt. Müsste ich der diesjährigen Tiberfahrt ein Prädikat geben, würde glasklar "viel Wasser" lauten.

Mit Naturphänomen ist es so eine Sache, doch in einem sind sich die Einheimischen, wie auch langjährige Teilnehmer einig: der Tiber führte überdurchschnittlich viel Wasser mit sich. Im "Paddlerchargon" bedeuted das: "nöd so vill chrampfä", weil die Strömung mithilft - dafür steigt die Zahl der Kenterungen sprunghaft an.

Die Tatsache, das wir an gewissen Stellen exponierte Steinbrocken gar nicht sahen, wo dagegen im letzten Jahr in Folge tiefen Wasserstandes getreidelt werden musste, zeigt dass jede derartige Tour ihre eigene Prägung hat. Der "Schlachtruf" in diesem Jahr hiess: "Pagaia!" Recht oft war an schwierigen Stellen dieses Wort zu hören.

Im Klartext hiess das, es ist jemand gekentert und als Folge davon kommt nun sein Paddel selbständig den Fluss hinunter - Boot und Person hinterher. Das Security-Team hat sich stets sofort um die schwimmenden Leute und die Boote bemüht, um Paddel und ausgeleerte Sachen kümmerten sich die übrigen Teilnehmer.

Die Hilfsbereitschaft wird gross geschrieben und ist für die meisten Teilnehmer ein Selbstverständlichkeit. Für die ganz jungen "Machos" beschränkte sich dies anfänglich auf die attraktiven Girls. Mit der Zeit machte es ihnen dann auch Freude, wenn sie dem "gentile Nono" nach 4 Stunden im engen Kajak bei ausbooten am schlüpfrigen Ufer helfen konnten und er sich strahlend und höflich bedankte. Selbst viel jüngere stiegen nach so einer langen Fahrt nicht mehr zwingend sehr elegant aus. Auch das gehört zum "gemeinsamen Erlebnis". Kaum jemand steht eine solche Monstertour ohne eigene persönliche Krise durch.

Die Unterschiede liegen in der Intensität, sind aber spätestens bei der Ankunft in Rom beinahe vergessen! Bevor ich mir die unausweichliche Frage selber stellen konnte, hiess es: ciao amigo - nell'anno prossimo - oder Bernhard: Wir zählen auf dich, bis zum nächsten Jahr! Ich denke es war nicht meine letzte Discesa - wann, dass lasse ich offen. Ich denke im Jahr 2005 werde ich pausieren, sonst wäre ich wirklich süchtig - angefressen ist ja auch nicht schlecht!

In diesem Sinne ciao amici

Bernhard Neff: